Ich habe schon eine ganze Weile hier nichts mehr reingeschrieben. Nicht dass ich viel zu tun hatte – da wäre schon Zeit gewesen. Ich habe das Fahrrad wieder etwas mehr in den Mittelpunkt meines Lebens gerückt und war auch in der Küche fleißig. Vielleicht werde ich in Zukunft darüber auch noch ein paar Zeilen verlieren.
Wahlergebnis auf wahl.tagesschau.de
Heute soll es aber über meine Enttäuschung gehen. Wie nach jeder Wahl bin ich auch gestern in ein Loch gefallen. Man lebt so gut in seiner Filterblase. Natürlich schlagen dort auch täglich absurde Dämlichkeiten der Regierungen auf (zuletzt Digitale Agenda). Man kann sich dann etwas zynisch darüber lustig machen und fühlt sich da nicht allein. Doch gestern wurde ich aus dieser Filterblase herausgerissen und in den braunen Dreck der Wirklichkeit getunkt. Die NPD hat es nur ganz knapp nicht in den Landtag geschafft, doch 81.060 haben doch ihre Kreuze bei ihnen gesetzt. Dazu addiert man dann noch 9,7 Prozent AfD („Aber die sind doch nicht rechts“ – wer das grad gedacht hat, hat sich wohl zu viel Eiswasser über die Birne laufen lassen). Das sind in Summe 15 Prozent / jeder Siebente. In meiner Heimat Bautzen (WK 56) haben 13,8 Prozent ihre Erststimme der/m NPD-Kandidatin/en gegeben.
Rekordwahlbeteiligung
Naja, nicht wirklich, weil ja über die Hälfte gar nicht erst zur Wahl hingegangen ist (Wahlbeteiligung 49,2 Prozent). Dafür habe ich absolut kein Verständnis. Ich bin heute früh in die Bahn gestiegen und mir war so bewusst: jeder Zweite hat zugelassen, dass jetzt rechtes Gedankengut im Landtag sitzt. Und mehr als die Hälfte hält es auch nicht für abwegig, dass die AfD mit der CDU regieren sollte: Infratest dimap (wahl.tagesschau.de).
Piraten und eine schwarze Karte
Das Ergebnis der Piraten mit 1,1 Prozent finde ich natürlich bedauerlich, aber mit einem Einzug in den Landtag habe ich auch nicht gerechnet. Hoch motivierte und engagierte Politiker und aktive Wähler – aber leider zu wenig. Die breite Masse ist zufrieden und träge. „Kann doch so bleiben wie es ist“ – bis auf eine Ausnahme (Juliana Nagel, Linke, Leipzig) wurden alle Direktmandate von der CDU geholt … eine vollkommen schwarze Karte. 39,4 Prozent CDU. 39,4 Prozent konservativ. Ich möchte doch so gern in der Zukunft leben. In Sachsen werde ich da wohl noch sehr lange warten müssen.
Einfach ist es da, alles herunterzureden, sich in den gewohnten Zynismus zu zurückzuziehen und einfach noch ein paar Jahre Winterschlaf zu halten. Schlimmer kann es ja nicht werden. Das ist natürlich falsch. Aber ich weiß auch nicht, was man noch machen kann. Wer so viel Angst vor der Welt hat und sich diese nicht eingestehen kann, statt dessen die Schuld für alles, was im eigenen Leben den Bach runter geht „beim schwarzen Mann“ zu suchen, dem kann man nicht mehr mit Vernunft und gut zureden helfen. Genauso wenig hilft da anschreien, bloß stellen oder was weiß ich.
Alternative für die Alternative
Ich denke – Achtung: – die AfD hat Potenzial. =) Natürlich nicht die Partei mit ihrem Prof. Lustig und seinen Gesellen. Aber in den 160.000 Wählern stecken meines Erachtens nicht nur verkappte Nazis, die sich den Schritt hin zur NPD nicht getraut haben, sondern auch viele „Protestwähler“. Blöder Begriff, weil er impliziert, dieser Protest wäre mit klarem Willen vollzogen worden. Das denke ich nicht. Aber es ist eine unschlüssige Wählergruppe, die nicht ausreichend aufgeklärt wurde und die keine andere Alternative gesehen hat. Und wer bleibt denn da auch?
CDU: Konservative Partei mit Kirche, Homophonie und
AusländerhassAusländerdistanzierung und mächtig Staub.
SPD: Auch so eine etablierte Partei mit Anzugträgern, die ihre Prinzipien gern mal verkaufen.
Linke: früher SED, jetzt ANTIFA und irgendwie auch bisschen Hippie.
Grüne: Bio-Hippies mit teilweise ganz schönes Stock im Arsch.
FPD: Wer? Ach die. Privilegien für Privilegierte.
Piraten: Diese Internet-Spaßpartei, die sich nicht entscheiden können, ob Datenschutz oder Open Data und die sich zunehmend mehr entzweit.
Dann noch Tierschutzpartei und irgendwelche Wählerbündnisse, die ich nicht einzuordnen weiß. Und wenn dann noch eine Partei „Alternative“ im Namen hat und dem traditionellen Urvolk Jahrzehnte gewohnte Grenzen zurück verspricht … braucht man sich nicht zu wundern.
Und nun – Zeilen später – bin ich doch wieder Zuhause angekommen. Zuhause im Zynismus.