Ich habe einige Zeit mit mir gerungen, zu diesem Thema was zu bloggen. Es soll kein Besuchermagnet für die Seite werden und die Aufmerksamkeit von den wirklich wichtigen Anlaufstellen abziehen. Aber mal ehrlich: so viel wird das Blog ja eh nicht gelesen und da das Hochwasser in der letzten Woche mehr als einen Einfluss auf mein Leben hatte, hier eine kurze Zusammenfassung:
Montag, 03.06.2013
Der Pegelstand verdoppelte sich beinahe binnen 24 Stunden und erreichte Alarmstufe 3. Das ging dann doch etwas schnell. Noch ein paar Tage zuvor habe ich mir naiv gedacht: Dauerregen – ja klar, regnet es eben – wozu eine Unwetterwarnung? Doch die Realität traf mich mit einem Schlag. Mein erster Urlaubstag war gespickt mit Zahnarzt- und Friseurtermin. Dazu musste ich einmal die Elbe überqueren – und mir wurde richtig schlecht. Das Ausmaß auf Bildern zu sehen mag ja erschreckend genug sein, mit eigenen Augen noch mal um einiges härter. Ich erwartete für den Dienstag den Besuch meiner Großeltern. Die Wohnung war aber schon soweit hergerichtet – soll ja auch nicht künstlich aufgeräumt wirken – also habe ich den restlichen Abend zwischen mdr und Facebook hin und her gewechselt.
Dienstag, 04.06.2013
Alles gute zum Geburtstag! Mir war gar nicht danach. Früh erst mal Cmd + R und den aktuellen Pegel abgerufen. Und wieder den Fernseher an: mdr. So viel mdr habe ich das letzte Jahr glaube ich nicht geschaut, wie in den paar Tagen. Aber auch meine gesamte Timeline bei Facebook war durch Seiten wie Hochwasser Dresden, Fluthilfe Dresden und Elbpegelstand zu 99 % gefüllt mit dem Thema Hochwasser.
Die Großeltern kamen und es sollte Geburtstag gefeiert werden. Da wäre ich nicht drumherum gekommen. Da sie wie immer eine Stunde zu zeitig eintrafen, hatten wir noch genug Zeit, Katastrophentouristen zu spielen. Also auf die Brühlsche Terrasse und schnell noch ein Foto gemacht (s. oben). Den restlichen Tag klammer ich jetzt mal aus und steige sieben Stunden später wieder ein: die Großeltern sind verabschiedet und ich kann mein schlechtes Gewissen, den Tag nur ab und zu den Pegel im Blick an der prekären Situation vorbei gelebt zu haben, abschütteln.
Die von Sven Mildner erstellte interaktive Google Karte, die von mehreren Nutzern editiert wurde (bzw. noch wird) half mir und tausenden anderen Helfern die letzten Tage nicht ziellos durch die Stadt zu irren, sondern zeigte klar auf, welche Straßen gesperrt sind, wo welche Art von Hilfe benötigt wird und natürlich auch den Überflutungsstand.
Ich habe mich also abends noch mit Jenny und Robert am Terrassenufer getroffen und wir konnten uns gleich in die Schlangen der Sandsackträger einreihen und gefüllte Sandsäcke in Transporter verladen. Jedoch war der Vorrat nach kurzer Zeit auch schon verladen und die Stelle wurde aufgelöst. Wir wurden zum Rosengarten oder zum Ball- und Brauhaus Watzke geschickt. Der Rosengarten lag näher und wir waren zu Fuß. Dort angelangt war aber nichts. Nichts außer Wasser. Und das stand schon im Kaffee Rosengarten. Also zum Watzke. Dort angekommen traf ich sogar noch mein Gegenüber aus der Schlange vom Terrassenufer wieder. Ein paar Sandsäcke später stockte aber auch hier die Anlieferung neuer Sandsäcke. Wir beschlossen den Tag zu beenden. Die Fahrt entlang der Leipziger Straße ließ uns die Münder offen stehen. In drei bis vier Reihen und teilweise einen Meter hoch stapelten sich die Sandsäcke. Natürlich nichts im Vergleich, was die kommenden Tage dort noch hinzu kam, aber für den ersten Eindruck schockierend.
Mittwoch, 05.06.2013
Sandsacktransport an der Leipziger Straße – 05.06.2013
Ich beschloss den Tag dort anzufangen, wo der letzte geendet hat. Die Straßenbahn fuhr die Leipziger Straße (noch) entlang und ich stieg am Watzke aus. Und es offenbarte sich schon ein ganz anderes Bild, als noch den Abend zuvor. Ein paar Sandsäcke mehr lagen schon auf dem Gehweg, ich war ja auch nicht all zu zeitig vor Ort. Aber vor allem die Organisation durch die Einsatzkräfte des THW und die Kräfte der Feuerwehr und Bundeswehr machte die Arbeit so viel effizienter. Die unzähligen Helfer wurden koordinierten, anleiteten, Ihnen wurde gezeigt, wie man den Damm richtig baut (und wie eben nicht) und helfende Hände wurden an die Stellen geschickt, an denen sie auch gebraucht wurden. So verging der ganze Tag: Transporter mit Sandsäcken kamen von den Füllstationen (z. B. Hansastraße) es wurden sofort einige Reihen aufgemacht und die Sandsäcke auf den Damm verteilt. Wie ein Ameisenstaat.
Es waren so viele Helfer vor Ort – viele auch in der Nacht. Damit diese bei Kräften blieben halfen viele nicht nur mit ihrer Arbeitskraft, sondern auch mit Verpflegung. Da wurden belegte Brötchen vorbeigebracht und verteilt, Schnittchen, Müsliriegel, Gebäck frisch vom Backblech, Getränke aller Art (von Wasser, bis Kaffe oder sogar Red Bull) und auch Sonnencreme wurde verteilt. Die wurde aber nicht zuverlässig genug angewendet =). Hätte es am Mittwoch noch genauso geregnet, wie das Wochenende zuvor wäre der Pegel noch schneller gestiegen, aber auch die Helfer hätten nicht so viele Stunden durchgehalten. Also war man auch ganz froh, dass die Sonne wieder schien und nahm den Sonnenbrand dankend hin. Auch ich merkte am Abend, dass es wohl doch etwas zu viel Sonne war. Gegen 21.30 verließ ich den Schauplatz. Ich bin den Tag über Stück für Stück die Leipziger Straße stadteinwärts gewandert. Zum Schluss gab es erst mal nicht mehr so viel zu tun. Die Sandsäcke fehlten wieder.
Donnerstag, 06.06.2013
Der Gehweg voller Sandsäcke – Leipziger Straße
Ich konnte nicht gut einschlafen. Immer wenn ich die Augen geschlossen habe sah ich vor meinem Inneren: Sandsack greifen, umschlagen, stapel, Sandsack greifen, umschlagen, … Also schaute ich auch in der Nacht noch mal bei den oben genannten Seiten auf Facebook nach dem aktuellen Stand. Der Pegel ist weiter gestiegen und die Hilferufe von der Leipziger Straße machten mich unsicher, was mich den nächsten Tag erwarten würde. Auch die Karte hatte einige beunruhigende Einträge: „Damm weicht durch“, „hält nicht“ … Als ich dann am Donnerstag dort eintraf – der Straßenbahnverkehr wurde auf dieser Straße schon am Mittwoch eingestellt, also etwas längerer Fußmarsch – sah alles wieder ein Stück anders aus. Das Wasser stand deutlich höher, die Dämme waren doppelt so breit und auch um einige Lagen höher als noch ein paar Stunden zuvor. Was die Helfer in dieser Nacht geleistet haben ist sagenhaft.
Der Pegel stieg seit 10.00 Uhr nicht weiter an, ließ sich aber auch bis 16.00 Uhr Zeit, um mit langsamen Sinken zu beginnen. Die Dämme hielten soweit, jetzt mussten sie nur noch aushalten. Und das war dann auch die Taktik der Verantwortlichen. Es hieß, dass keine neuen Sandsäcke mehr an die Leipziger Straße geliefert werden und wir nur noch hoffen könnten. Zum hoffen musste ich nicht unbedingt vor Ort sein, also bin ich mal in die Neustadt an die Prießnitz gelaufen. Dieser kleine Bach, sonst so unscheinbar südöstlich des Alaunparks verlaufend ist in seinem Bett bedrohlich angestiegen und hat sich in etliche Keller der angrenzenden Wohnungen breit gemacht. Nach Pumpen wurde über die einzelnen Seiten für diese Region gefragt – ich konnte da nicht wirklich was tun. Also bin ich noch mal zurück zum Watzke und bekam wieder was zu tun. Eine Sandsackfüllstation wurde errichtet und es galt Tausende Säcke auf und in LKWs zu verteilen.
Gegen 16.00 Uhr machte ich mich auf den Weg über die Leipziger, entlang an dem Haus, was ein paar Stunden später aus Verdacht der Einsturzgefahr abgesperrt wurde. Ein Statiker widersprach diesem Verdacht, als ich mir die Risse tags darauf ansah, war mir aber nicht so geheuer.
Freitag, 07.06.2013
Nachdem der Pegel immer weiter sinkt, nach 24 Stunden ist es immerhin ein halber Meter geworden, habe ich gestern Mittag einen Spaziergang über die Leipziger Straße, Kötzschenbroder Straße, An der Flutrinne/Sternstraße nach Übigau hin zur Washingtonstraße und Flügelwegbrücke unternommen. Alles trocken und ruhig. In einem Hog wurde schon wieder aufgeräumt, mein Hilfsangebot aber dankend abgelehnt.
Disclaimer: Ich bin selber nicht betroffen vom Hochwasser und ich denke auch das Grundwasser wird meinen Keller hier in Ruhe lassen. Ich kann nur von den „Schauplätzen“ erzählen, die ich gesehen habe und da ist es noch einmal glimpflich ausgegangen. Natürlich wird es viele Menschen um einiges härter getroffen haben. Einige Stadtteile sind auch in Dresden der Elbe zum Opfer gefallen, Existenzen sind bedroht und Erinnerungen mit den Fluten davongetragen worden. In den kleineren Orten in der Umgebung sieht es meist noch schlimmer aus. Der Zusammenhalt, den ich die letzten Tage miterleben konnte, der sich durch die gesamte Gesellschaft zog, hat mich sehr berührt. Natürlich gibt es Ausnahmen: Pfandsammler der gespendeten Wasserflaschen, ohne gegen das Hochwasser auch nur einen Finger krumm zu machen oder vereinzelte Plünderungen in evakuierten Gebieten. Aber das sind nur kleine Schatten, die sich nicht über die wunderbaren Eindrücke legen können, die ich trotz des furchtbaren Anlasses erlebt habe.
Dresden Elbe Hochwasser – 5 Juni 2013 from Sebastian Linda on Vimeo.